Die persönliche Sicht: Von zertifizierten Coaches und anderem Unsinn

Alle paar Tage stolpere ich über eine Annonce, die verheißungsvoll verspricht, jemanden in seiner Ausbildung zum „zertifizierten Coach“ zu begleiten. Die Annoncen sind von unterschiedlicher Professionalität und Tonalität, von langweilig-scheinwissenschaftlich bis hin zu marktschreierisch-unglaubwürdig und werden von unterschiedlichsten Anbietern lanciert.

Was, bitte, ist ein „zertifizierter Coach“? Und wer, bitte, braucht so etwas? Mehr noch: Wer legt überhaupt die Standards für einen „zertifizierten Coach“ fest? Eine Gruppe aus „Über-Coaches“? Wer zertifiziert diese Gruppe?

Immer, wenn es um irgendetwas Zertifikate geht, liegt der Verdacht nahe, dass vor allem diejenigen davon profitieren sollen, die das Zertifikat ausstellen. Das ist bei „zertifizierten Coaches“ nicht anders als zu Beginn der Ära der Qualitätsmanagement-Systeme nach ISO, als es vielfach nur darum ging, den Audit-Gesellschaften Geschäft zu verschaffen, weil es manchen nämlich völlig egal war, ob sich die auditierten Unternehmen auch tatsächlich nach den Verfahren richteten und einen Vorteil davon hatten; Hauptsache, das Audit wurde bestanden (und bezahlt). Heute hat sich das glücklicherweise – nach teilweise massiver Beschwerde – verbessert.

Bei „zertifizierten Coaches“ aber geht es nicht um Unternehmen, sondern um Personen. Und es geht nicht um konkret abrufbare Prozesse, sondern um eine hochindividuelle Beratung. Hier nutzt es nichts, Methodenwissen abzufragen, Analysefähigkeiten zu benoten oder Allgemeinplätze zu besetzen. Ein wirksamer Executive Coach muss persönliche Fähigkeiten besitzen, die sich der methodischen Prüfung entziehen. Er muss erfahren sein, muss Beratungserfahrung haben. Ein Coach, der keine Managementberatungs-Erfahrung hat, kann kein guter Coach sein, denn „Coaching“ ist eine Untermenge von „Consulting“.

Ich bin „CMC“ (Certified Management Consultant). Dies ist eine Zertifizierung, die nur ein sehr kleiner Teil aller Managementberater weltweit erhält. Hat mich je jemand darauf angesprochen? Nein. Warum auch? Wir nutzen dies natürlich in unserer Außendarstellung, aber mit der Qualität meiner oder unserer Arbeit hat das nichts, nichts, rein gar nichts zu tun.

Klienten sind erwachsen. Sie entscheiden nicht auf Basis eines Zertifikates. Sie entscheiden auf Basis der Fähigkeiten, die wir als Berater in die geschäftliche Beziehung einbringen. Insbesondere wenn wir als Executive Coaches arbeiten, wäre ein Zertifikat das Allerletzte, was unsere Klienten von uns verlangen würden.

Weder macht ein Führerschein aus einem schlechten einen guten Fahrer, noch macht ein Zertifikat aus einem schlechten einen guten Coach. Weg mit der Augenwischerei. Wer Zertifikate fordert, scheut nur den Aufwand der persönlichen Auseinandersetzung mit dem Detail. Oder er sitzt in der Personalabteilung. Aber das kommt häufig auf dasselbe hinaus.

Ihr Guido Quelle

(c) 2012, Prof. Dr. Guido Quelle, Mandat Managementberatung GmbH