Die persönliche Sicht: Opfer für Wachstum?

Ganz klar: Wer wachsen will, muss Dinge anders machen, nicht nur mehr des Gleichen produzieren. Und auch Gewohntes, Liebgewonnenes gehört im unternehmerischen Kontext auf den Prüfstand. Ja, auch manche umweltbezogenen Einschränkungen sind an der einen oder anderen Stelle mitunter erforderlich, wenn gesundes Wachstum geschaffen werden soll.

Aber: Wachstum uneingeschränkt mit der Erfordernis einer umweltbezogenen Einschränkung in Verbindung zu bringen, ist falsch. Wachstum mit einer vermeintlich zwingenden Erfordernis hochgradig fragwürdiger Maßnahmen miteinander in Verbindung zu bringen, ist billig. Wachstum stets mit Opfern zu verknüpfen, ist falsch. Systemdenken? Mangelware.

Beispiele? Nehmen wir doch einmal den Flugverkehr:

  • Nachtflugverbote werden mit einer Geringschätzigkeit diskutiert, die ich ungeheuerlich finde. Ob Anwohner, die in der Nähe eines Flughafens wohnen, wohl auch ein Recht auf Ruhe haben? Oder ist mit dem Wohnen in Flughafen“nähe“ (wobei „Nähe“ ja einige Kilometer entfernt bedeuten kann) stets das Risiko der Willkür verbunden, dass man irgendwann nachts nur noch vier oder fünf Stunden ohne Flugbewegungen auskommen muss?
  • In Dortmund wird der Flughafen als zwingend erforderlich betrachtet, weil er angeblich ursächlich verantwortlich für Arbeitsplätze sei. Ich halte die „Vollkostenrechnung“ für nicht hinreichend hinterfragt. Der Flughafen schiebt ein dermaßen großes Verlustpolster vor sich her, dass er dieses vermutlich niemals mehr ausgleichen wird. Die Bürger zahlen. Ob diese Rechnung belastbar ist, wage ich zu bezweifeln. Nicht jede Stadt benötigt einen Flughafen. Überdies hat dieser Flughafen keine vernünftige Geschäftsverbindung anzubieten. Deutschland Fliegende (Ausnahme „München“) müssen nach Düsseldorf fahren. Ist das sinnvoll? Ist das systemisch?
  • Flughafen Berlin: Ein Großstadtwahnsinn, der ganz offensichtlich nichts aus Stuttgart 21 gelernt hat. Bürger werden offenkundig über Beeinträchtigungen im Unklaren gelassen, um nicht zu vermuten, dass sie getäuscht werden – natürlich gänzlich unabsichtlich. Dilettantismus gepaart mit Größenwahn – keine gute Wachstumsbasis.

Wer bei Wachstumsplänen das Systemdenken ausschaltet, disqualifiziert sich. Wachstum muss balanciert werden. Wachstum ist kein Nullsummenspiel, das stets auf Kosten von irgendetwas geht. Wachstum bedarf nicht zwingend der Opfer. Der WWF beschreibt es sehr treffend: Wachstum muss die ökonomische, die soziale und die ökologische Dimension einbeziehen und hier ist eine Balance zu finden. Dem ist nichts hinzuzufügen.

(c) 2012, Prof. Dr. Guido Quelle, Mandat Managementberatung GmbH