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Wachstumsprojekte: Projektmanagement – ein alter Hut?

Die Zeiten ändern sich und die Managementm(eth)oden ändern sich auch. Nun mehren sich die Stimmen, dass das Projektmanagement ausgedient habe, es buchstäblich am Ende sei. Es bedürfe echter Alternativen.

Bei aller Wertschätzung gegenüber der Erneuerung – auch in der Anwendung von Managementmethoden – bedarf es hier der Differenzierung. Wir haben genug „Management-by“-Hypes und „Reengineering-/Balanced Scorecard-/Six Sigma“-Moden überstanden, um blauäugig mit Statements wie „Das Projektmanagement ist am Ende“ umzugehen. „Das Projektmanagement“ ist nämlich keineswegs am Ende, es bedarf lediglich der Justage. Wir sprechen nicht von einer Revolution des Projektmanagements, sondern von einer Evolution, einer Weiterentwicklung.

Vieles bleibt

Will man ein komplexes Vorhaben angehen, das dem Unternehmenswachstum Vorschub leisten soll, will man eventuell gar ein „Wachstumsprojekt“ angehen, stellt man rasch fest, dass, bei allen sich ändernden Umweltparametern, vieles bleibt: Es bedarf der Strukturierung des Gegenstandes, ohne einen guten Grund („Zweck“) sollte man das Thema gar nicht angehen und ohne klare Ergebnisse („Ziele“) und Messgrößen bleibt der Erfolg unklar. Überdies bedarf es nach wie vor zwingend der Aufgabenerledigung in Richtung der Ziele entlang der definierten Struktur. Am „Was“ brauchen wir also nicht zu rütteln

Manches ändert sich

Was sich gegenüber früheren Projekten, die oft eher linear verliefen, ändert, ist der Grad der Vernetzung, der heute erforderlich ist. Immer mehr Seiteneffekte müssen berücksichtigt werden, die Internationalisierung und Globalisierung unserer Klienten fordert von uns in Beratungsprojekten, noch vernetzter zu denken, als wir es früher bereits taten. Projektteams sind nicht unbedingt mehr immer zur gleichen Zeit am gleichen Ort und die klassische Unternehmenshierarchie spürt den Widerstand der Projektteams stärker als früher, Kollisionen zwischen Projekt- und Linienorganisation drohen potenziell, härter zu werden.

Gleichwohl bedarf es nach wie vor eines Auftraggebers und es bedarf der formalen Führung durch einen Projektleiter. Insbesondere diese beiden sind es, die sich mit den neuen Anforderungen der unternehmensweiten Vernetzung stärker auseinandersetzen müssen als es früher der Fall war. Der Zuteilung der Freiräume und Ressourcen sowie der Wahl der Teilprojektleiter kommt hier eine besondere Bedeutung zu. Auch die Verpflichtung auf zu liefernde Ergebnisse wird stärker, Toleranzen gegenüber Nichtlieferungen werden geringer, die Geduldspolster der Beteiligten, die gefühlt immer mehr Aufgaben bekommen und sich ihre Zeit immer besser einteilen müssen, werden ebenfalls dünner.

Methodik entscheidet

Umso wichtiger ist es, dass sich die Methoden, derer sich das Projektmanagement heute bedient, der wachsenden Vernetzung und der höheren Geschwindigkeit anpassen. In einer Sache gebe ich den PM-Kritikern Recht: Die alten Bücher mit ellenlangen Detailplänen, Formblättern und dem Überformalismus, der den Federn der Ingenieure entsprang, sowie die Toolgläubigkeit, sie alle gehören der Vergangenheit an.

Um die Wirksamkeit Ihrer Projektmanagement-Methodik zu überprüfen, beantworten Sie folgende Fragen mit „Ja“ oder „Nein“:

  1. Wird stets nur dann ein Projekt gestartet, wenn wir die Ausgangssituation präzise gefasst, den Zweck und die Ziele beschrieben und Messgrößen für die Erreichung der Ziele festgelegt haben?
  2. Berücksichtigt unsere PM-Methodik die Prioritäten des Unternehmens, bzw. der Unternehmensgruppe, für den Fall einer Ressourcenkollision?
  3. Verfügen wir über unternehmensgruppenweite Profile unserer Experten, die wir in Projekte einbinden können?
  4. Speichern wir „lessons learned“, also Erfahrungen aus vergleichbaren Projekten, um Doppelarbeiten zu vermeiden – unter Einbezug aller Gesellschaften der Unternehmensgruppe?
  5. Haben wir Regeln aufgestellt für den Umgang innerhalb internationaler Projektteams mit unterschiedlichen kulturellen Werten?
  6. Beziehen wir gezielt ausgewählte Partner aus unserer Wertschöpfungskette in unsere Projekte ein?
  7. Haben wir einen „Fast Track“ eingerichtet, der das im Projekt gewonnene Wissen bereits während des Projektes möglichst schnell in der gesamten Unternehmensgruppe (auch international) verfügbar macht?
  8. Haben wir einen Routine-Prozess eingerichtet, so dass aus unseren Projekten Elemente gezielt in die (Fach-) Öffentlichkeit gelangen, um unsere Position als Vordenker zu stärken?
  9. Haben wir eine ergebnisorientierte Ressourcenplanung eingerichtet, die sich auf die Big Points konzentriert, ohne Pseudo-Genauigkeit vorzutäuschen?
  10. Bieten unsere Projekte Möglichkeiten für unsere Mitarbeiter, auch persönlich zu wachsen?
  11. Untertstützt unsere Projektmanagement-Methodik eine Kultur der kleinen schnellen Erfolge?

Wenn Sie alle Fragen guten Gewissens mit „Ja“ beantwortet haben, ist Ihre PM-Methodik bereits gut aufgestellt. Ein- oder zweimal „Nein“ ist tolerabel. Wenn Sie mehr als zweimal „Nein“ geantwortet haben, sind Sie gut beraten, möglichst bald eine Reform Ihrer PM-Methodik anzugehen. Bedenken Sie, dass die nachhaltige Veränderung eingefahrener Prozesse je nach Unternehmensgröße 12 bis 24 Monate dauern kann.

Ihr Guido Quelle

(c) 2011, Prof. Dr. Guido Quelle, Mandat Managementberatung GmbH